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Juni 05, 2020 6 min lesen.
Verdeutlicht man sich, wie Menschen in der Frühzeit gelebt haben, dann wird klar, dass sie kaum Vorratshaltung betrieben haben und sich von den Dingen ernährt haben, die in direkter Umgebung gerade wuchsen oder herumliefen. Hier wurde im wahrsten Sinn des Wortes „von der Hand in den Mund“ gelebt. Wieso das gesund ist, wird durch Folgendes deutlich: Nährstoffe, Vitamine und die Gesamtqualität eines Lebensmittels beginnen sofort nach der Ernte rasant abzunehmen. Wieso – und vor allem wie – du also auf regionale und saisonale Produkte setzen solltest, liest du hier.
Die Entfremdung von unserer Ernährung und der Produktion der Nahrungsmittel ist weit fortgeschritten. Viele Konsumenten wissen bei den immer prall gefüllten Supermarktregalen gar nicht mehr, welches Obst und Gemüse überhaupt Saison hat. Bei Kräutermischungen, Fertigsoßen und anderen verarbeiteten Lebensmitteln überblickt man oft gar nicht, was alles enthalten ist.
Saisonale Lebensmittel sind diejenigen, die in der eigenen Region gerade reif für die Ernte und den Verzehr sind. Regionale Produzenten haben folglich immer ein eingeschränktes Angebot und Verbraucher können auch im Supermarkt leicht erkennen, ob ein Gemüse gerade Saison hat: Auf den Etiketten steht immer ein Ursprungsland oder sogar ein Betrieb mit Adresse. Wenn der Brokkoli aus Spanien stammt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Gemüse hierzulande gerade gar nicht wächst.
Wer einen Bio- oder gar Demeterhof um die Ecke hat, kann sich glücklich schätzen. Frischer kann man nur aus dem eigenen Garten ernten. Lebensmittel aus der eigenen Umgebung – dazu gab es in Zeiten ohne unsere moderne Mobilität gar keine Alternative. Untersuchungen an fossilen Überresten von Menschen und deren Wohnstätten haben ergeben, dass der Mensch gar keine einheitliche Ernährung hatte. Die „richtige“ Ernährung, wie sie uns von der WHO oder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen wird, ist also gar nicht ursprünglich unsere natürliche Nahrungszusammensetzung.
Wir alle kennen die Ernährungspyramide, streiten uns zudem über die richtige Menge an Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch, Nüssen oder Fetten in unserer täglichen Ernährung. Aber kann für jeden Menschen in jeder Lebenssituation und in jedem Alter, egal wo er wohnt und wie er lebt, die gleiche Ernährung gelten? Was eigentlich logisch erscheint, haben Archäologen schon lange herausgefunden: Der Mensch hat die Ernährungsweise, die ihm seine Umgebung vorgibt. Nahe dem Polarkreis und während der Eiszeiten war das überwiegend Fleisch, an der See waren es überwiegend Fisch und Meeresfrüchte, in fruchtbaren Regionen eher Gemüse. Wie hätten Menschen aus kontinentalen Regionen auch an Fisch (zumal zweimal wöchentlich) herankommen sollen?
Eines war die Nahrung der Frühmenschen aber ganz sicher: frisch! Sie war immer direkt vor dem Verzehr in der Umgebung gesammelt. Und genau an dieser Maxime will sich die regio-saisonale Ernährung wieder orientieren, denn der Nährstoffgehalt frischer Nahrung ist für unsere Gesundheit unschätzbar. Die meisten Vitamine gehen mit Transport, Lagerung und Verarbeitung der Nahrung verloren. Je kürzer du diese Kette hältst, desto gesünder ist deine Ernährung. Seefisch mag also noch so gesund sein – ein Stück Forelle aus einem Teich in deiner Nähe ist eigentlich die bessere Option. CO2 wird ebenfalls reduziert, wenn das Lebensmittel nur einen kurzen Weg bis zu dir hat. Klimaschutz ist also bei regionalen Produkten inklusive.
Diese Frage ist für Verbraucher schwierig bis gar nicht zu klären. Wenn im Herbst beispielsweise die Apfelernte hier in Deutschland ist, dann sind natürlich Äpfel aus der Umgebung sowohl vom Nährwert als auch vom CO2-Rucksack her besser. Je länger aber die Äpfel gelagert werden müssen, desto schlechter wird die CO2-Bilanz, denn die Lagerung in riesigen Kühlhäusern verbraucht Ressourcen. Wenn in unseren Breitengraden nur noch ein beheiztes Gewächshaus magere und verwässerte Ergebnisse liefern kann, dann sind Äpfel aus Südeuropa möglicherweise von der CO2-Bilanz her besser. Sie müssen zwar nach Deutschland transportiert werden, was Klimagase verursacht, aber dafür mussten sie nicht über Monate hinweg gekühlt gelagert werden.
Eine Lösung für den Privathaushalt ist das Einkochen und Haltbarmachen – ganz genauso, wie es schon unsere Großeltern gemacht haben. Wenn die großen Obst- und Gemüsemengen im Herbst eingebracht waren, wurden gewaltige Mengen Essbares haltbar gemacht und eingelagert. Von diesem Vorrat ernährte man sich dann den ganzen Winter über. Moderne Geräte und Helferlein machen uns diese Arbeiten leichter denn je und das Internet liefert saisonale Rezepte zum Nulltarif.
Weitere Einsicht in die zeitliche Verfügbarkeit von erntefrischen Lebensmitteln liefert ein saisonaler Kalender, oder auch Erntekalender genannt. Er ist als Hilfestellung für das Ausfindigmachen von saisonalen Produkten gedacht und erleichtert es, Einkäufe zu planen und Kochverhalten auszulegen. Das kommt nicht nur deiner Gesundheit zugute – sondern gefällt auch deinem Geldbeutel, da zu der Haupterntezeit der Ertrag am höchsten ist und somit der günstigste Preis erzielt wird.
Die meisten Menschen verstehen unter „Region“ oder „Heimat“ ihren Landkreis, ihr Bundesland oder das umgebende Naturgebiet. Wenn du sicher gehen willst, dass das Produkt wirklich deinen Ansprüchen entspricht, dann solltest du auf Regionalbegriffe, wie „Taunus“, „Eifel“ oder andere wirklich ortsbezogene Bezeichnungen achten. Die Verbraucherzentrale hat zu dieser Terminologie bei regionalen Produkten einen eigenen Artikel verfasst und auch bei großen Händlern getestet.
Geschützte Ursprungsbezeichnungen benennen Produkte, die wirklich nur in einer Region produziert sein dürfen und Regionalinitiativen erstellen eigene geschützte Marken, die auf die Region verweisen. Über die Initiativensuche des Regioportals kannst du echte Regionalmarken und deren Kriterien finden. Das Problem ist nämlich, dass der Begriff „regional“ nicht gesetzlich definiert ist. Händler können ihn also einfach auf jedes Produkt aufdrucken. Auch das Wort „Heimat“ wird oft verwendet, sagt aber genauso wenig über die Herkunft des Lebensmittels aus. Es handelt sich hier um Greenwashing, das den Verkauf fördern soll. Achte also auf spezifische Regionalmarken bei deinem nächsten Einkauf.
Noch einfacher geht es so: Auf einem Bauernmarkt, und dort speziell bei einem kleinen Direktvermarkter, ist die Ware nicht nur regional und saisonal, sondern auch noch unverpackt. Oft wurde der Salat noch am gleichen Morgen geerntet, die Möhren erst gestern gezogen. Die Erzeuger freuen sich, wenn sie ins Gespräch kommen und informieren auch gerne über ihren Betrieb und darüber, welche Produkte bald erntereif sein werden. Regional einzukaufen unterstützt direkt die Erzeuger. Die Frische und Qualität – und somit auch die Eigenschaften, die zu deiner Gesundheit beitragen – dieser Lebensmittel ist durch Nichts zu ersetzen.
Nicht nur für deine Gesundheit leistet regionales Essen einen wertvollen Beitrag. Saatgutinitiativen pflegen alte regionale Sorten, damit sie nicht vollkommen verschwinden. Sie sind besser an den Standort angepasst, brauchen weniger zusätzlich gegossen zu werden, haben weniger Probleme mit Schädlingen oder Pflanzenkrankheiten. Große Konzerne, die Saatgut patentieren lassen, werden dadurch im kleinen Rahmen ausgebremst. Auch regionaltypische Tierrassen werden gefördert und vor dem Aussterben bewahrt. Dies ist ein wichtiger Faktor, der die Vereinheitlichung von Nutzpflanzen und Nutztieren verhindert und dadurch die Biodiversität in der Region erhöht.
Durch den Kauf von regionalen Produkten unterstützen Konsumenten regionale Betriebe und können eventuell auch die Produktionsbedingungen, die Auswahl der Sorten und die Umsetzung von Tierwohl in kleinem Umfang mitbestimmen. Wenn du Kinder hast oder mit Kindern arbeitest, können sie durch eine regio-saisonale Ernährung auch lernen, welche Sorten in der direkten Umgebung wachsen, wie sie auf dem Feld aussehen und was sich damit kochen lässt. Die Vielfalt der eigenen Ernährung wird durch Zeiten, in denen noch nicht viel wächst und man gezwungen ist, mit anderen Nahrungsmitteln zu arbeiten, erweitert. Vielleicht kommt es ja zu einer Erweiterung des alten Sprichworts vom Bauern und seiner Unkenntnis: „Was der moderne Mensch nicht mehr kannte, das schätzt er neuerdings“.
Bauern aus ärmeren Produktionsländern beginnen oft, nicht standortangepasste, fremde Kulturen anzubauen, weil das zunächst lukrativ erscheint. Erdbeeren aus Mittelamerika bilden dann z. B. die Lebensgrundlage in einer ganzen Region fernab von Europa. Die Bauern in diesen Regionen werden dann abhängig vom Export dieser Feldfrüchte und somit von unserem nicht-saisonalen Kaufverhalten. Die eigenen Sorten dort werden hingegen vernachlässigt und die Familien können nicht mehr für die Selbstversorgung anbauen. Der Anbau fremdartiger Gemüse- und Obstkulturen hat gravierende Auswirkungen auf das Ökosystem in den Anbauregionen, gehen mit einem erhöhten Wasserbedarf, sonstigem Aufwand oder Pestizideinsatz einher.
Nun haben wir alle es in der Hand. Verarbeitete Lebensmittel sind bereits „tot“. Ihr Nährstoffgehalt durch Verarbeitung und Zusatzstoffe, wie Stabilisatoren und Emulgatoren, ist nur noch gering. Frische Lebensmittel hingegen leben noch. Wir sehen es daran, dass wir viele Gemüsesorten noch einmal in einem Topf nachziehen können, z. B. Stangensellerie, Kopfsalate oder sogar Kräuter. Wir bestehen letztlich aus den Substanzen, mit denen wir uns ernähren, denn sie werden die Bausteine, mit denen unser Körper seinen Stoffwechsel bestreitet oder neue Strukturen aufbaut.
Superfoods aus fernen Ländern können Spaß machen und Abwechslung bringen. Sie sollten aber niemals zu einem großen Anteil unsere Ernährung bestimmen. Auch heimische Sorten bringen ähnliche Superkräfte mit, die wir ohne Umwege in unseren Körper bringen können. Wo schmecken die Erdbeeren besser als direkt vom Feld oder aus dem Garten? Eben – nirgends.
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